Verwandeln Burgergemeinden sich gerade in Integrationsvehikel?

Gemeindedinosaurier unter Druck
In Herzogenbuchsee bahnt sich die erste Fusion von Burgergemeinden an. Der Vorgang zeigt: Die altmodischen Organisationen überleben nur, wenn sie sich öffnen.

Für den Kanton Bern ist es vermutlich eine Premiere. Die Fusion zweier Burgergemeinden. Eine solche wird gegenwärtig im Oberaargau angegangen. Wenn alles rund läuft,werden die Burgergemeinden Herzogenbuchsee und Oberönz Anfang 2025 vereint sein. «Wir sind uns in allen Punkten einig, es ist nirgends ein Problem vorhanden», sagt Hans-Jörg Moser, Präsident der Burgergemeinde Herzogenbuchsee. «Wir haben es im Burgerrat analysiert und beantragen diesen Weg einstimmig», sagt Hans-Ulrich Staub, Präsident der Oberönzer Burger. Noch vor Mitte Jahr werden dieVersammlungen entscheiden, ob die Verhandlungen offiziell aufgenommen werden. Im Herbst wird ein Grundlagenbericht präsentiert und im Frühling nächsten Jahres werden die Burgerversammlungen die definitiven Entscheide fällen. Doch warum erfolgt die Fusion überhaupt? Und warum erst jetzt? Die zweite Frage stellt sich, weil sich die Einwohnergemein den Herzogenbuchsee und Oberönz bereits auf Anfang 2008 zusammengeschlossen hatten. Die Fusion der Burgergemeinden war damals kein Thema. So gab es fortan eine Einwohnergemeinde mit zwei Burgergemeinden auf ihrem Territorium, was es im Übrigen auch andernorts gibt, so etwa in Langenthal.

Burgernutzen ist passé

In den 15 Jahren seit der Fusion sei es im Ortsteil Oberönz zu einem «dramatischen Abgang» von Burgerinnen und Burgern gekommen, sagt Hans-Ulrich Staub. Die Abwanderung junger Leute fiel besonders ins Gewicht. Noch funktioniere der Burgerrat, sagt Staub, «aber es fehlen jene, die in fünf oder zehn Jahren das Ruder übernehmen könnten». Die Burgergemeinde Oberönz hat rund 30 Angehörige und nennt 28 Hektaren Wald und 15 Hektaren Kulturland ihr eigen. Die Burgergemeinde Herzogenbuchsee ist deutlich grösser. Sie zählt rund 130 Angehörige, verfügt über 181 Hektaren Wald und 70 Hektaren Kulturland, was rund einem Viertel des Gemeindegebietes entspricht. Sie hat einen Forstbetrieb mit einer Handvoll Angestellten. Es gibt in absehbarer Zeit keine Zukunfts sorgen. Der Zusammenschluss ermöglicht es der Burgergemeinde Oberönz, in einem gewissen Sinn weiter zu existieren. «Sie wird nicht aufgelöst, sie kann mit uns weiter bestehen», sagt Hans-Jörg Moser, der Präsident der Burger von Herzogenbuchsee. Inzwischen scheint der Schritt auch sonst ganz folgerichtig zu sein. Seit der Fusion der Einwohnergemeinden ist in den Pässen der Oberönzer Burgerinnen und Burger ja auch der Heimatort Herzogenbuchsee eingetragen, wie Hans-Ulrich Staub bemerkt. Burgergemeinden verfügen meistens über Wald und Kulturland. Burgerinnen und Burger profitieren da und dort vom sogenannten Burgernutzen – etwa in Form von Brennholz. Vielerorts wird heute aber darauf verzichtet – auch in Herzogenbuchsee und Oberönz. «Das liegt gar nicht mehr drin», sagt Hans-Jörg Moser. Er räumt freimütig ein, der Nutzen, einer ländlichen Burgergemeinde anzugehören, sei hauptsächlich ideeller Natur. «Wer mithelfen will, ein Naherholungsgebiet in Schuss zu halten, und überzeugt ist, damit etwas Gutes zu tun, ist bei uns richtig.» Gutes tun, statt vom Burgernutzen zu profitieren: Das klingt so, als wären Burgergemeinden einem Wandel unterworfen. Früher fanden sich darin die alteingesessenen Familien. Heute sind sie viel offener gegenüber Neuzugängen. «Wir sind auf solche angewiesen», sagt Moser. «Sonst sind wir in zwanzig Jahren ebenfalls an einem Punkt, wo wir
icht mehr funktionsfähig sind.»
Elias Maier, Geschäftsführer des Verbands bernischer Burgergeneinden und burgerlicher Korporationen, bestätigt dies. Es gebe eine Tendenz, die Einburgerungen zu erleichtern. Sei es früher primär darum gegangen, burgerliche Familien beisammen zu halten,werde seit einigen Jahren eine Öffnung registriert. Fürs Fortbestehen der Burgergemeinden sei das wichtig, sagt Maier. Gerade kleinere Gemeinden seien gefordert, sich aktiv um neue Burgerinnen und Burger zu bemühen. «Sonst drohen Überalterung und Aussterben.»
«Es geht wieder aufwärts»
Wie das funktioniert, zeigt sich ein paar Kilometer östlich von Herzogenbuchsee. Auf dem Gemeindegebiet von Langenthal gibt es die beiden Burgergemeinden Langenthal und Schoren. Die Situation ist somit mit der gegenwärtigen in Herzogenbuchsee vergleichbar. Schoren war bis 1898 eine eigenständige Gemeinde – bis zur Fusion mit dem grossen Nachbarn. Die Burgergemeinde ist somit schon über 120 Jahre lang eigenständig geblieben. «Wir wollen das in jedem Fall auch bleiben», sagt Präsident Hanspeter Meyer. Die Probleme, mit denen die Burgergemeinde Oberönz konfrontiert ist, zeichneten sich in Schoren ebenfalls ab. «Wir hatten immer weniger Leute», sagt Meyer. Dann aber habe man die Kriterien für eine Einburgerung gelockert – «seither geht es wieder aufwärts».Am Tiefpunkt hatte die Burgergemeinde noch 60 Angehörige. Inzwischen seien es bereits wieder um die 70, darunter auch junge Leute. Meyer spricht von einem positiven Trend. Lange Zeit gab es in der Burgergemeinde Schoren bloss vier Geschlechter: Meyer, Lappert, Schneeberger und Buri. Später kam die Familie Ruckstuhl hinzu. Es war mehr oder weniger eine geschlossene Gesellschaft.

Das hat sich geändert. Hanspeter Meyer sagt, die Burgergemeinde sei für alle offen, die Interesse hätten am Ortsteil Schoren und sich einbringen möchten – bei der Pflege des Waldes zum Beispiel. Das scheint zu funktionieren. «Wir haben auch junge Familien, die mitmachen», sagt Meyer. Einmal pro Jahr wird der Wald geputzt. Da sind auch Nichtburger dabei. Der Zusammenhalt sei wichtig, sagt er. Zweimal pro Jahr
wird im eigenen Burgerhaus eine Versammlung abgehalten. «Mit anschliessendem Imbiss im Pintli – auf Kosten der Burgergemeinde.»
Drei Ster Brennholz
Eine Einburgerung kostet in Schoren einmalig 2000 Franken pro Familie. Leute, denen die Verbindung mit dem Wohnort etwas bedeute, nähmen das gern in Kauf, sagt Meyer. Zudem gibt es noch einen greifbaren Burgernutzen: drei Ster Brennholz, was gegen anderthalb Tonnen entspricht. Wer das Holz nicht will, bekommt stattdessen 120 Franken ausbezahlt. In Schoren zeigt sich,wie Burgergemeinden sich allmählich verändern: Von altmodischen, eher geschlossenen Gesellschaften hin zu offenen Körperschaften, die auch Neuzuzüger willkommen heissen – und dadurch lebendig bleiben. Burgergemeinden als mögliche Integrationsvehikel also? Ja, sagt Hanspeter Meyer, «das kann man so sehen».Wer es zu schätzen wisse, sich an einem Ort rasch daheim zu fühlen, «für den ist heute eine Burgergemeinde wie jene in Schoren eine tolle Sache».

Quelle: Dölf Barben, BZ

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